Aufgrund seiner dynamischen, aber noch vorsichtig und geordnet aufsteigenden Energie wird die Wandlungsphase Holz das kleine Yang genannt. Wir erleben diese Energie in allem, was beginnt: Frühling und Morgen, Geburt und Kindheit, die aus dem Boden sprießenden Pflanze und die aufgehende Sonne entsprechen der Energie des Holz-Elements. Seine klimatische Entsprechung ist der Wind, der alles in Bewegung bringt. Das für all diese Energien verantwortliche Organ ist die Leber. Eine gesunde Leber macht einen Menschen kraftvoll, entscheidungsfreudig und durchsetzungsstark.
Die Leber beherbergt unser Potenzial, um körperlich und psychisch aktiv zu werden. Kreativität und Visionen können hier auf ihre Entfaltung hoffen. Dabei ist die Leber im Gegensatz zum westlichen Verständnis kein kompaktes, herausnehmbares und transplantierbares Organ, sondern ein Funktionskreis, der sich in Leitbahnen, sogenannten Meridianen, durch unseren Körper zieht und wie der Wind das Qi dort sanft bewegt. Bewegt werden aber nicht nur Qi und Blut, sondern auch unsere Emotionen.
Menschen mit starker Holzenergie sind gute Kämpfer. Das aufwärtsstrebende Leber-Yang treibt sie, Widerständen zu überwinden und ihre Ziele zu erreichen.
Rosskur mit Rudi
Diese Energie macht uns zum Abenteurer „Rudi“. In seinem Essverhalten ist Rudi eher konservativ. Nur ungern lässt er sich in seinen Speiseplan hineinreden, Veränderungen seiner Ernährungsgewohnheiten mag er gar nicht. Er ist ein großer Anhänger von Brot, Wurst und Fleisch, das er gerne in ausreichender Menge und am Stück vor sich sieht. Das Steakhaus ist das Restaurant seiner Wahl. Kaum steht der Teller auf dem Tisch, greift er auch schon zur Pfeffermühle. Der scharfe Geschmack ist für ihn ein Muss, er gibt den richtigen Kick und weckt seine Lebensgeister. Schon im Kindesalter ist eine solche Vorliebe für Yang-betonte Nahrungsmittel festzustellen.
Rudi mag nichts Weiches: schon der Anblick des leckeren Getreidebreis seiner Frau am frühen Morgen macht ihm eine Gänsehaut. Langgekochtes süßes Gemüse findet er „wabbelig“, überhaupt sind Getreide und Gemüse nicht seine Favoriten.
Rudi tut gut daran, die Möglichkeiten der 5-Elemente-Küche auszuschöpfen und seinen Bedürfnissen nach einer knackigen und kernigen Konsistenz anzupassen. Er liebt die Rosskur: Zähne zusammen und sich tapfer durch die Diätpläne beißen. Mit seiner Disziplin und Genauigkeit schießt Rudi jedoch oft über das Ziel hinaus. Im auflodernden Leberfeuer wird Rudi dann schnell ungeduldig, aufbrausend und aggressiv. Auf der körperlichen Ebene verspannen sich die Muskeln im Schulter- und Nackenbereich, der Kopf schmerzt bis hin zu Schwindel und Migräne, nachts knirschen die Zähne und der Schlaf ist nicht mehr erholsam.
Rudi schwitzt und fühlt sich wie ein Drucktopf, durch dessen defektes Ventil der überschüssige Dampf nicht mehr entweichen kann. Bei der kleinsten Anstrengung rinnen kleine Schweißperlen über seine rote Stirn.
Die TCM spricht von Disharmoniemustern, in diesem Fall von Leberhitze. Unser Rudi steht also für ein dem Holzelement zugeordnetes Muster von stark und kräftig aufsteigendem Leber-Yang mit der Tendenz zu einem aufflammenden Leberfeuer, Leberhitze und Leber-Qi-Stagnation.